Lasst uns alle feierlich ein neues Familienmitglied begrüssen: meinen neuen orangenen Reiserucksack!
Ich gebe zu, es muss schon viel passieren, dass ich einen Text über einen Rucksack verfasse… und verdammt nochmal, ES IST VIEL PASSIERT! Ich werde die nächsten Monate in einem wildfremden Land eine höchst emotionale Beziehung zu diesem Gegenstand entwickeln, der so viel mehr ist wie nur ein Gegenstand – er ist mein Reisebegleiter, mein Vertrauter, mein Beschützer all dessen, was mir lieb und teuer ist. Ich werde ihn berühren an jeder Stelle seines Wesens, ich werde jeden Winkel seines Körpers in- und auswendig kennen, seinen Geruch aufsaugen und annehmen, ich werde mit seinem Gewicht auf meinen Hüften eins werden bei heissen, langen Wanderungen und mein Schweiss wird in seine Poren fliessen und seine Farben in meine Haut.
Ich werde weinen, wenn er Verletzungen bei unseren Abenteuern davonträgt und mich liebevoll um seine Heilung kümmern und dafür sorgen, dass es ihm immer immer gut geht! Nach unserer Rückkehr in die Heimat werden wir uns schweigend anschauen, und wir werden uns verstehen ohne Worte. Was wir zusammen erleben werden, das werden wir für immer miteinander teilen. Diese Verbindung währt ein Leben lang.
Also, in meinen Ohren klingt das sehr nach einem neuen Familienmitglied.
Folgendes ist die Sache: Seit 28 Stunden begutachte ich nun diesen Rucksack kritisch aus den Augenwinkeln, den mir ein gut gelaunter Amazon-Bote gestern in die Wohnung hochgetragen hat. Nachdem ich das riesige Pakte geöffnet habe, steht er nun angelehnt an meinem orangen Sofa an einer exponierten Stelle und ich betrachte ihn immer wieder etwas argwöhnisch beim Vorbeilgehen. Ich versuche herauszufinden, ob ich ihn mag oder nicht.
Soll ich ihn dulden und für diese aussergewöhnlich wichtige Mission in meinem Leben auserwählen? Hat er das Zeug dazu? Vielleicht sollte ich ihn wieder seinem Hersteller zurückschicken und mich für ein anderes Modell entscheiden, ein Modell mit weniger Schnüren und Schlaufen und weniger komplizierten Öffnungen und all diesen schwer zu verschliessenden Deckelschlaufen?
Vielleicht ärgere ich mich schon sehr bald über seine unpraktische Handhabung und dass er nicht gross genug ist oder im Gegenteil, dass er nicht klein genug ist und dass mir das vorher nicht aufgefallen war und dass ich all dies erst auf der anderen Seite des Erdballs herausfinde und ärgere mich dann weiter, dass ich mich von seiner hübschen orangenen Farbe und seinem betörendem Lächeln so habe blenden lassen und drehe ich dann total durch, weil ich erkenne, dass ich mich total in ihm getäuscht habe und er mir bei meiner Reise jede Menge Ärger bereiten wird! Das wäre die reinste Katastrophe!! Ich fasse es nicht, was für eine enorme Verantwortung auf der Wahl des richtigen Reiserucksacks liegt!
Ich atme gerade 3 Mal tief durch.
Ich entscheide den Rucksack zu berühren und finde heraus, dass sein Material sich gut anfühlt. Sicherlich hat er gerade genauso grosse Angst vor mir wie ich vor ihm. Und dabei wollen wir beide doch einfach nur eine gute Zeit zusammen verbringen. Und wir mögen uns doch, denn ich liebe Orange und er liebt Abenteurer! Okey, das wird schon hinhauen mit uns zweien. Ich habe mich entschieden. Der Rucksack bleibt. Ich nehme ihn mit auf meine Reise. Hurra, das wird ein Bund fürs Leben!
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