Das Tolle am Reisen ist, dass man völlig unbekannte Menschen trifft, oftmals sogar für nur einen Tag, aber manchmal schreibt man gemeinsame Erinnerungen, die für immer währen.
Solch einen Tag habe ich erlebt in Mysuru, der Hauptstadt des ehemaligen Königreichs von Mysore (1399-1947), Kulturhauptstadt des Bundesstaates Karnataka und bis zum heutigen Tag Residenzsitz der königlichen Familie von Mysore (Wodeyar Dynastie). Dort habe ich Prashanth getroffen, einen dynamischen indischen Mann, der sich bereit erklärt hat, seinen Freunden einen Gefallen zu tun und einer fremden Europäerin seine Heimatstadt zu zeigen (Danke Ramya und Kaushik, dass ihr das für mich eingefädelt habt! Ihr seid spitze :-). Prashant ist selbstständiger Unternehmer, leidenschaftlicher Reporter, Fan seiner Heimatstadt Mysuru und hat ihr sogar eine eigene Webseite gewidmet:
Hier gehts zur Webseite askmysuru.com
An einem heissen Donnerstag Nachmittag holt mich Prashant mit seinem Auto von meinem Guesthouse ab und ein wahres Abenteuer beginnt sich zu entfalten. Dank seines Presseausweises sind wir auf der Gästeliste für eine private Führung im Wahrzeichen der Stadt: Der Königspalast. Zusammen mit 2 Japanern führt uns ein flinker Museumsführer durch die Gänge des Palastes, der die prachtvollste Schatzkammer ist, die ich jemals in meinem Leben gesehen habe. Opulente Säulengänge mit türkisfarbenen Deckengemälden, vergoldete Verzierungen, meterhohe Flügeltüren aus purem Silber und Elefantenköpfe, die einen von der Wand aus anstarren, Fliesen mit herrlichem Blumenmuster soweit das Auge reicht. Die Großzügigkeit und der Reichtums dieses Bauwerks ist in jedem einzelnen Detail zu sehen.
Der geheime Raum im Palast
Nachdem wir die grossen Säle des Palastes besichtigt hatten, führt uns der Museumsführer am Ende eines Seitenkorridors zu einer leicht verborgenen Türe und gebietet uns hineinzugehen: Abseits aller Touristen stehen wir in einem abgedunkelten Raum, der über und über vollgestellt ist mit uralten Säbeln, Gewändern von Kriegern und … ausgestopften Tieren. Der Museumsführer schärft uns ein, dass Fotografieren und Videos machen hier strengstens verboten ist. Riesige Tiger fauchen uns stumm an, gigantische Büffel stehen in Reih und Glied und Krokodile in der Größe von Kleinbussen liegen am Boden. Es schaudert mich bei dem Gedanken an all die Hetzjagden, die für das Ausstatten dieses Raumes stattgefunden haben müssen… Ich stehe inmitten eines Raumes, der einer längst vergangenen Ära angehört und bin ehrfürchtig, welche Zeitalter Menschen und Tiere in diesem Land durchlebt haben. Welche Kämpfe sie gekämpft haben, welche Schmerzen sie erlitten haben, welche Hindernisse sie überwunden haben, welche Pracht sie erschaffen haben.
Das Wunder auf den Chamundi Hills …
Als die Besichtigung des Palastes zu Ende ist, entscheiden Prashanth und ich, dass noch Zeit für ein zweites Abenteuer ist. Wir steuern den heiligen Hügel der Stadt an, von dem aus man über die gesamte Talebene blicken kann: Die Chamundi Hills. Dort auf den Felsen des Hügels hatte Sadhguru, der es später zu weltweiter Bekanntheit als spiritueller Lehrer gebracht hat, in jungen Jahren sein erstes Erleuchtungsmoment. Ganz oben auf dem höchsten Punkt des Hügels steht der Chamundeshwari Temple und Menschen strömen täglich von Nah und Fern, um dort zu beten.
Doch wir haben ein Problem: Es ist 17:50 Uhr und in 10 Minuten schließt der Tempel seine Pforten! Vor dem Eingang stehen noch über hundert Menschen, der Tempel ist aufgrund seiner kraftvollen Energie und Lage äußerst beliebt. Es ist unmöglich jetzt noch ins Tempelinnere zu kommen und für den nächsten Tag war meine Abreise aus Mysuru bereits gebucht. Doch in diesem Moment zeigt sich eine bemerkenswerte Eigenschaft an Prashanth, die eine große Stärke an ihm ist: exzellente Netzwerkfähigkeiten. Drei Telefonanrufe später spurten wir an der langen Menschenschlange vorbei, werden von Mitarbeitern des Tempels wie VIPs durch Seitentüren hindurchgelotst und stehen kurz vor 18:00 Uhr im Allerheiligsten des Tempels, um der Göttin Chamundeshwari unsere Ehrerbietung entgegenzubringen. Ich kann es nicht fassen, wir haben es geschafft!
Als ich Prashanth später frage, wie er es geschafft hat, dass wir entgegen aller Regeln ins Tempelinnere gelangen konnten, sagt er diese Worte, die sich mir eingeprägt haben: ”Es ist nicht zielführend, den höchsten Repräsentanten dieses Tempels anzurufen; das Reinigungspersonal und die Türsteher sind diejenigen, die diesen Ort managen. Ich schätze sie und wir unterstützen uns gegenseitig“.
Ein wundervoller Tag geht zu Ende…
Am Abend falle ich mit dem glücklichen Gefühl ins Bett, dass dieser Tag einer derjenigen Tage war, die wie Diamanten aus meiner Indienreise hervorstechen und mir noch mit 84 Jahren in Erinnerung bleiben werden. Heute durfte ich geheime Palasträume besuchen, ein Wunder auf den Chamundi Hills erleben und die Großzügigkeit und Smartness eines jungen indischen Mannes kennen lernen, den ich nun einen Freund nennen darf.
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Von dem abenteuerlichen Tag in Mysuru ist ein Instagram Reel entstanden, das ich euch nicht vorenthalten möchte:
Alles Liebe,
Deine Salome
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