Das Meditations Bootcamp

Okt 10, 2023 | Crazy, fun, shit in India

Also wenn es einen Blog Artikel gibt, der richtig in der Kategorie «Crazy Fun Shit” verortet ist, dann ist es dieser hier 😆 Ich möchte gerne über meine Erfahrungen mit der sogenannten “Kathartischen Meditation” berichten, die im Meditation & Silence Retreat der Nisala Foundation & Center for Energy and Consciousness Studies in Sri Lanka, Udadumbara, praktiziert wird. Das ist nur etwas für starke Nerven, soviel sei vorab gesagt.

Wie hat alles angefangen?

Beim Frühstück im Wild Child Cafe in Tiruvannamalai erzählt mir Aaron, ein Reisender auf der Suche nach dem Sinn des Lebens, dass er Katharsis in einem Meditations Retreat erfahren hat. Das Besondere an dem Retreat war, dass man seine Frustration als Gruppe 15 Minuten lang an eine Wand herausbrüllen musste. Kurz zur Info, weil ich es auch erst einmal googeln musste: Katharsis ist ein altgriechisches Wort und bedeutet “Reinigung”. Es bezeichnet in der Psychologie den Vorgang des Sichbefreiens von psychischen Konflikten und inneren Spannungen durch emotionales Abreagieren. Dadurch verlieren unterdrückte Gefühle ihre störende Wirkung, da sie frei geäußert und abreagiert werden dürfen. Soweit sogut, ich war also schonmal äusserst interessiert an dem Ganzen!

5 Wochen später sitze ich in der Meditationshalle des Kathartischen Meditations Retreats in Sri Lanka und bin gespannt auf meine eigene ganz persönliche Katharsis. Bevor an Tag 3 von insgesamt 4 die kathartischen Meditationsrunden beginnen, lernen wir an Tag 1 und 2 erstmal die Shoonya Meditation kennen, die eine Buddhistische Meditationsform ist und kultiviert, wie man aus einem “Witnessing Consciousness“ (Zeugenbewusstsein) heraus seine eigenen Gedanken neutral betrachten kann. Das Ziel: man kann damit aus energieaufwändigen Dynamiken der eigenen Gedankenkarusselle aussteigen. Im Klartext bedeutet das, anstatt sich den Kopf über Dinge zu zerbrechen, in langwierigen bewertenden Grübeleien abzudriften oder sich in aufwühlenden Emotionen zu verlieren, macht man im Shoonya Zustand einen Schritt zurück und betrachten sich selbst wie aus der Vogelperspektive. In diesem Zustand gibt es keine Gedanken und Bewertungen mehr, dieser Zustand ist das reine sachlich wahrnehmende Bewusstsein. 

Shoonya Meditation – als neutraler Zeuge die Welt wahrnehmen

Unser Meditationslehrer Ancharin erklärt uns den Shoonya Zustand anhand eines Beispiels: er stellt eine weisse Tasse vor sich auf den Tisch und fragt: “Was könnt ihr sehen?” Wir antworten, dass wir eine weisse Tasse sehen und Ancharin fragt, woher wir das wissen. Wir antworten, dass es eine weisse Tasse ist, weil es wie eine Tasse aussieht und die Farbe weiss hat. Er fragt uns, wer gesagt hat, dass Tassen so aussehen und woher wir wüssten, dass die Farbe weisst ist. Das geht so eine Weile weiter, bis wir gar nichts mehr wissen und zweifeln, ob das Objekt vor ihm wirklich eine Tasse ist 😆 Genau an diesem Punkt stoppt Ancharin und wird still. “Genau”, sagt er, “wir ordnen alles ein, was wir sehen, in mental konstruierte Kategorien der Beschreibung und Bewertung. Aber was wir hier wirklich wahrnehmen können, ist lediglich eine Ansammlung von Energie in einer verdichteten Form.” Mit Shoonya trainieren wir die urteilsfreie Wahrnehmung und bringen damit einen heilsamen Abstand zwischen uns Selbst und unsere Gedanken. “You need to remove yourself to see the ultimate consciousness”, sagt er mit einem leicht diabolischen und trotzdem charmanten Lächeln und genau das üben wir dann 17 Stunden lang am Tag in Form von Sitz-und Gehmeditationen.

Tag 3. Ich bin bereit. Die Katharsis kann beginnen.

Wir werden in das eigens für die kathartische Meditation gebaute Gebäude auf dem Hügel des Geländes gebracht. Es ist schalldicht. Es hat hohe Wände. Fenster gibt es nur oben unter dem Dach. Was hier drinnen passiert, soll hier drinnen bleiben. Wir machen eine Meditation, dann stehen alle auf, suchen sich eine Stelle vor der Wand und Ancharin gibt mit strenger Stimme das Signal: “Now everyone shout and cry”. Was sich nun abspielt, ist jenseits von allem, was ich jemals erlebt habe. 30 Menschen beginnen sich ihren tiefsten Lebensschmerz von der Seele zu brüllen, Menschen um mich herum brechen zusammen vor Weinen und liegen gekrümmt und schluchzend auf dem Boden. Ich höre grelle Schreie der tiefsten Verzweiflung von Frauen, die wie Schreie gequälter Babystimmen klingen, die einem durch Mark und Bein gehen. Zeitgleich bin ich selber am Brüllen und erlebe, wie Themen plötzlich aus meinem Unterbewusstsein an die Oberfläche ploppen, wie kleine Luftballons, die ich erfolglos versuche, unter Wasser zu drücken. Erinnerungen schießen in meinen Kopf und treiben mir die Tränen in die Augen; ein Film spielt sich vor meinen Augen ab bestehend aus Gesichtern von Menschen, seit frühester Kindheit bis zur Gegenwart, die mich zutiefst verletzt haben, mich klein gemacht haben, über mich gelästert haben, mir im Wege stehen. Ich brülle diese Menschen an, ich brülle sie an, ich brülle sie an, ja, ich brülle sie an, ganz aus tiefster Seele.

Wut, die wie Luftballons zerplatzt

Dieser Ablauf wiederholt sich 3 mal im Laufe des Tages. Es ist bizarr, mit jeder Runde wird es mir leichter ums Herz. Es ist, also ob die Luftballons an die Wasseroberfläche drängen und ich endlich aufhöre, sie runterzudrücken, und in diesem Moment nehmen sie volle Fahrt auf, schiessen aus dem Wasser heraus und zerplatzen dann einfach in der Luft! Was bleibt, ist Platz, so viel mehr Platz. Am Ende des Tages schließen wir mit einer Lach-Runde ab, was ein wahrhaft absonderlicher Abschluss des Ganzen ist. Alle Teilnehmer lachen 15 Minuten lang und der Raum erklingt voller Töne von herzlichem bis äusserst hysterischem Lachen. Nach einem 18 Stunden Tag falle ich todmüde ins Bett. Etwas Verrückteres habe ich selten in meinem Leben erlebt. Aber verrückt ist gut, denn es ver-rückt die Dinge auf einen neuen Platz. Und das ist gut.

Ein wirklich abgefahrener Ansatz…

Rückblickend kann ich sagen, dass das Meditations Retreat sicherlich zu den abgefahrensten Ansätzen gehört, mit denen ich bisher experimentiert habe auf meinem ganz persönlichen Weg der Erleuchtung. Es ist eine brachiale, aber in der Tat äußerst effektive Methode und ich bin dankbar, dass ich diese Erfahrung machen durfte. Interessanterweise hat sich nach dem Retreat meine Verdauung reguliert, die ich bis dahin nur mit der Zufuhr ayurvedischer Präparate in Balance halten konnte. Für mich ein Zeichen, dass sich eine Reinigung bis in den biologischen Körper vollzogen hat, vom mentalen und energetischen Körper ausgehend. Daher also für alle zu empfehlen, die offen sind für eine gute Portion crayz, fun Shit 😀

Wer mutig ist: Hier ist der Link zur Nisala Foundation. Es gibt auch Online Retreats 😉

Alles Liebe,

Eure Salome

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