Der Tag des Abflugs

Der Tag des Abflugs

Hier sitze ich nun, es ist 09:13 Uhr, Montagmorgen, 26. Juni 2023, und in 7 Minuten startet das Boarding für meinen Flug von Zürich nach Mumbai. Ich weiss nicht, wann ich in die Schweiz zurückkehren werde, ich halte in meinen Händen ein one-way Ticket. Ich sitze inmitten einer Indischen Familie im Abflugbereich des Terminals und fühle mich irgendwie geborgen, obwohl mich die Indische Mami kritisch beäugt. Ich schreibe diesen Artikel und möchte über meine Gefühle reflektieren, die ich während der letzten 24 Stunden erlebt habe. Ich finde, dass wir uns oft zu wenig bewusst mit unseren Gefühlen auseinandersetzen und diese Situation ist eine exzellente Gelegenheit, dies exemplarisch zu tun. Es gibt genug darüber zu schreiben – glaubt mir, was man in 24 Stunden alles fühlen kann – es ist enorm.

Liebe

Genau jetzt vor 24 Stunden waren meine Gefühle, wenn ich sie in Farben beschreiben müsste, knalliges Orange, pulsierendes Rot und sonnig leuchtendes Goldgelb. Warme Farben haben mich eingehüllt in honiggelbes Licht, ich wurde umschmeichelt von Sonnenstrahlen wie eine Sonnenblume. Ich hatte das Gefühl, sehr geliebt zu sein. Ich war eingehüllt in den Armen meines Liebsten, seinen wunderbaren Geruch, seine Küsse und unser Verweilen in einer goldenen Lichtkugel hat mich glücklich gemacht im tiefsten Inneren. Die Liebe flüstert dir zu, dass du am richtigen Ort bist, dass du verbunden bist, dass du dich der Welle an Glücksgefühlen hingeben kannst, weil dieser Moment einfach nur vollkommen ist.

Alles fühlt sich stimmig an

Du fliesst mit der goldenen Energie und spürst: «Oh, wie sehr werde ich geliebt und wie sehr empfinde ich Liebe in mir.» Es ist so schön, in dieses höchste und schönste aller Gefühle eintauchen zu dürfen und sich darin zu baden wie in warmem Wasser. Es ist das schönste Geschenk im Leben, das ich kenne.

Liebe auch hat in jeder Umarmung gesteckt, die ich in diesen besonderen 24 Stunden meines Lebens von Menschen geschenkt bekommen habe, die mir Lebewohl gesagt haben. Ich liebe es, von Menschen umarmt zu werden und die körperliche Manifestation von Liebe zu spüren. Jede der 9 Umarmungen, die mir geschenkt wurden, habe ich in vollen Zügen genossen und die Liebe dieser Menschen für mich in ihren Armen gespürt.

Traurigkeit

Abschiede machen einem die Kostbarkeiten des Lebens deutlich. Tränen führen einem den Wert dessen vor Augen, was man beweint, und auch die Tiefe des Verlustes, weil er so sehr schmerzt. Das Gefühl von Alleinsein macht sich breit, die Schwere des Verlustes lastet auf meinen Schultern und die Farben um mich herum wirbeln in lähmendem Schwarz und dichtem, dunklem, lichtundurchlässigem Blau. Die Wolken schieben sich vor die Sonne und ich krümme mich auf meinem Stuhl, zu Hause, alleine, und fühle die Leere und bin traurig, ohne zu weinen. Der Abschied von meinem Liebsten, ohne den ich meinen Lebensweg nun fortsetzen werde am anderen Ende der Welt. Wie er schmerzt.

Der Abschied von meiner Nachbarin, die nicht nur neben mir wohnt, sondern mein Leben bereichert durch Teller voller Kuchen vor meiner Haustür und herrlichen Blumen im Briefkasten oder fröhlichen Sprachnachrichten mit Einladungen zum Abendessen. Wenn ich zurückkehre, wird sie nicht mehr hier wohnen und die gemeinsamen Mahlzeiten mit ihrer Familie werden nicht mehr stattfinden. Oh, wie dieser Abschied schmerzt. Veränderungen können traurig machen, sie können dir ins Bewusstsein rufen, wie gut dein Leben ist und wie viel du im Begriff bist zu verlieren, wenn du die Karten deines Lebens neu mischst. Schluck.

Angst

Diese Ungewissheit. Diese unglaublich grosse Ungewissheit. Auch diese Unklarheit, wie ein Sprung ins kalte Wasser. Flüssige, explodierende Farbfetzen wirbeln um mich herum in allen Schattierungen, die dunklen Farben überwiegen, und treffen immer wieder schmerzhaft wie Granatsplitter an meinen Wangen. Ich spüre die Angst auch körperlich, sie legt sich wie ein Eisenband um mein Herz. Die fiese Frage, die mich am Tag vor meiner Abreise erbarmungslos verfolgt: «Was zu Hölle hast du dir bei dem Ganzen gedacht? Was zur Hölle, bitteschön, hast du dir nur dabei gedacht? 12 Monate ein unbezahltes Sabbatical zu machen und nach Indien zu fliegen?»

Die innere Kritikerin meldet sich

Meine innere Kritikerin bäumt sich auf und quält mich weiter: «Wieso fliegst du nach Indien – wieso Indien? Und dann noch ganz alleine? Du hast keinen Plan, was dich dort erwartet! Du unterschätzt die Herausforderungen dieses Landes total! Du übergibst deine Wohnung in fremde Hände und wenn du zurückkehrst, wirst du dich hier nicht mehr wohl fühlen können.»

Bei Packen meines Reiserucksacks suchen mich angsterfüllte Sorgen heim, ständig quält mich die Frage, ob ich die richtige Auswahl an Gegenständen und Kleidern getroffen habe, ob ich etwas Wichtiges vergessen habe, ob ich das richtige eingepackt habe. Beim Packen wird mir klar, dass ich mich für ein Abendteuer ausrüste, dass ich nicht einmal kenne. Es wird mir klar, dass ich alle meine vertrauten Menschen verlasse, meine wunderschöne Umgebung verlasse, meine Halt gebende Routine verlasse …ich verlasse einfach ALLES und ALLE und begebe mich ins Ungewisse… ein paar Gehirnzellen aus dem Steinzeitalter in meinem Kopf brüllen mir zu, dass dies eine hochgradig beschissene Idee war und dass ich ohne Schutz und soziale Zugehörigkeit von dieser Reise möglicherweise nie wieder lebend zurückkehren werde! Nun ja, Angst hat nicht immer etwas mit der Realität zu tun… das macht sie aber leider nicht weniger angsteinflössend.

Dankbarkeit

In überbordender Fülle habe ich in den letzten 24 Stunde bis zur jetzigen Sekunde vor allem aber eines gefühlt: Dankbarkeit. Dankbarkeit ist wie ein rosarotfarbener Fliederduft, der alles durchdringt mit seinem seidig duftenden Geruch und dich einhüllt in eine Wolke aus Leichtigkeit und Reinheit. Dankbarkeit fühlt sich an, wie eine Mischung aus Tränen vor Glück und Staunen über so viele gute Fügungen im Leben und der Gewissheit, dass dies nicht selbstverständlich ist. Sondern ein exklusives Geschenk vom Universum an Dich.

Kennt ihr Marmeladenglasmomente?

Ich sammle gerne Marmeladenglasmomente. Das sind Momente, die so schön sind, dass ich sie nicht mehr vergessen möchte und daher in ein durchsichtiges imaginäres Marmeladenglas stecke und darin für die Ewigkeit konserviere. Dann kann ich sie mir jederzeit wieder aus dem Regal nehmen und ansehen und mich an ihrer Schönheit erfreuen. Innerhalb der letzten 24 Stunden habe ich jede Menge Marmeladenglasmomente gesammelt.

Ich gebe euch ein Beispiel: Ich sitze im Flugzeug in Zürich auf der Startbahn und wir warten auf den Start. Auf dem Bildschirm auf dem Sitz vor mir laufen Reklamespots über Uhren und Parfüms. Ich möchte sie mir nicht anschauen, bin nicht in der Stimmung und schliesse die Augen. Als ich die Augen wieder öffne, flimmert gerade folgender Satz über den Bildschirm:

«Jede Reise ist eine Herausforderung und ein Schritt aus der Komfortzone. Wofür sich der Schritt lohnt, das sind die unvergesslichen Momente (Swiss Air).»

Mein Sitznachbar, ein Inder aus Mumbai, mit dem ich zuvor kurz ins Gespräch gekommen war und der über meine Reisemotivation informiert ist, stupst mich an und sagt: «This message was for You.» Ganz genau DAS ist ein Marmeladenglasmoment. Das Universum winkt Dir ins Gesicht und ruft dir sanft zu, dass es Dich liebt und mit ganzem Herzen unterstützt. 

Welche Gefühle hast du in den letzten 24 Stunden erlebt? Nimm dir eine Minute Zeit für einen Rückblick in deinem Leben und überlege dir, welche Situationen Du erlebt hast und mit welchem Gefühl Du sie wahrgenommen hast. Das schult deine Selbstwahrnehmung und erlaubt dir, deinen Gefühlsreichtum besser kennen zu lernen und wertzuschätzen. Alle deine Gefühle sind wertvoll, genauso wie Du!

Warum machst Du ein Sabbatical?

Warum machst Du ein Sabbatical?

Die mir am häufigsten gestellte Frage im Jahr 2023: «Warum machst du ein Sabbatical?»

Gegenfrage: Warum denn nicht?

Kurze Vorwarnung: der folgende Artikel ist unter dem Einfluss starker Emotionen entstanden, man könnte auch sagen, ich war ziemlich angepisst. Weiterlesen erfolgt daher auf eigenen Gefahr!

Ich habe die Nase voll

Also, da sitze ich nun auf meinem geliebten orangenen Samtsofa zuhause in der Schweiz mit meiner dicken, fetten Nasennebenhölenentzündung, weil ich die Nase buchstäblich gestrichen voll habe von den uninspirierenden Gesprächen in letzter Zeit. Erklär mir doch bitte einmal einer, warum sollte man denn KEIN Sabbatical machen? Warum sollte man sich dazu entschliessen, das Leben NICHT nach allen Möglichkeiten abzuscannen, die Freiheit und Lebensqualität versprechen und diese NICHT umsetzen, vor dem Hintergrund der Tatsache, dass unser Leben endlich ist, wie wir alle ganz genau wissen?

Ich weiss, ich weiss, ich weiss… ich habe viele mannigfaltige Gegenargumente in epischer Breite in den letzten Monaten gehört… Gegenargumente von Erwachsenen, die ihre natürliche Lebensfreude systematisch depriorisieren und äussere Erwartungen zum Massstab machen ….die sich von der Karotte vor ihrer Nase verführen lassen, anstatt das zu tun, was sie in der Tiefe erfahren lässt, wie gross und bunt es ist zu LEBEN und zu GENIESSEN und zu FEIERN und SICH SELBST zu sein…. „Ich habe Verpflichtungen“, „Ich bin nicht mobil“, „Ich habe nicht genügend Geld“, „Ich habe nicht den Mut“, „Ich bin zu alt“ …. Liebe Leute, erinnert euch doch bitte an folgenden Grundsatz: Wenn man aus dem Mangel heraus denkt, kann auch nur Mangel daraus entstehen. Wo ist denn bitteschön euer Lebensdurst, wo ist eure Fähigkeit zu träumen, wo ist eure kindliche Neugier auf das Leben, wo ist eure Schöpferkraft als Spitze der Evolution?

Warum haben wir uns alle nur so verdammt sehr angepasst und verlernt darauf zu hören, was wir wirklich SELBER wollen? Warum haben wir aufgehört zu fragen, welche individuellen Wünsche und Träume in jedem von uns seit Kindheitstagen schlummern und ein Ausdruck unserer Einzigartigkeit sind? Warum akzeptieren wir den grossen Bulldozer namens Erziehung, Schule und gesellschaftliche Erwartungen, der über uns rollt und dafür sorgt, dass unsere zarte Einzigartigkeit von vorgefertigten Schablonen niedergewalzt wird, sodass wir funktionieren wie ein geöltes Rädchen in der kapitalistischen Gesellschaftsordnung?  Ich nehme mich nicht aus, es ist wirklich das grosse Drama unserer Zeit. 

Reaktionen zum Haare raufen

Wie oft habe ich die Sätze gehört: «Oh, du machst ein Sabbatical? Ich bin neidisch auf dich!» oder auch «Ein Sabbatical? Wow, das war auch immer mein grösster Traum!» oder diese Reaktion «Wie gut Du es hast, dass du so etwas machen kannst! Für mich ist das ja leider nicht möglich!»

Machen wir uns jetzt einmal zusammen die Mühe, diese in Worte gepackten inneren Haltungen der einzelnen Sprecher genauer unter die Lupe zu nehmen. Wir nehmen an dieser Stelle die Sprecher in die Verantwortung für jedes ihrer Worte und lassen nicht gelten, dass dies irgendwelche Floskeln gewesen sein sollen, die sie einfach so daher gesagt hätten. Bitte festhalten jetzt, denn nun wird es spannend! Und schmerzhaft!

Reaktion #1 «Oh, du machst ein Sabbatical? Ich bin neidisch auf dich!» 

Hierbei haben wir es also mit einer Person zu tun, die laut eigenen Angaben neidisch ist. Dies ist, soviel wissen wir alle, grundsätzlich ein ziemlich unschöner Zustand. Neid ist auf der Vitality Tone and Attitude Scale von Stephen J. Cocoony (2019) am unteren Ende im Bereich von Vitalitätsgefühl und Lebenskraft. Die Skala besagt, neidische Personen sind tendenziell ein Magnet für Versagen, Negativität und Emotionale Unausgeglichenheit.

Sorry Leute, aber das sind die wissenschaftlichen Fakten. Neidische Menschen haben eine ausgeprägte Anfälligkeit für Stress und auf der Körperebene kann dies sogar einhergehen mit angespannten Muskeln, Enge in der Brust bis hin zu kompletter Starre im Körper. Noch eine soziologische Perspektive: «Neid ist ein soziales Phänomen, das im Vergleich mit anderen entsteht. Die neidische Person beobachtet ihr Umfeld, bewertet die Unterschiede und sieht sich selbst im Nachteil. Neid bezeichnet damit eine Empfindung, bei der die neidende Person über die Güter einer anderen Person selbst verfügen möchte oder ihr diese nicht gönnt.»

Klingt nicht gerade sexy, wenn man sich das einmal bewusst vor Augen führt. Immer wenn ich diese Reaktion gehört habe, dass jemand neidisch auf mich ist, hat es in meinem Magen gegrummelt und ich habe gespürt, dass ich kein grosses Bedürfnis danach habe, mich weiter in ein Gespräch zu vertiefen. Eine solche Aussage ist auch ganz sicher kein Kompliment. Diese Aussage ist ein direkter Rückverweis auf die Hilflosigkeit und Traurigkeit des vor mir stehenden Menschen. Autsch. Mehr Freude bereitet es mit Menschen zu sprechen, die ihr Leben bewusst gestalten und es deshalb genau so lieben, wie sie es erschaffen haben. In der Konsequenz können sie sich dann aufrichtig am Glück anderer erfreuen. Dieser Austausch bringt eine grundsätzlich andere Energie mit sich und ist bereichernd.

Lasst uns also alle etwas achtsamer mit derlei Aussagen sein und uns selbstkritisch hinterfragen, welch ungelebtes Bedürfnis dahintersteckt, wenn wir andere um etwas beneiden. Und was wir konkret dafür tun können, um unser Bedürfnis ernst zu nehmen und uns darum zu kümmern, sodass wir künftig aus einer inneren Haltung an Fülle und Zufriedenheit unseren Mitmenschen begegnen können. 

Reaktion #2 «Ein Sabbatical? Wow, das war auch immer mein grösster Traum!»

Hierbei haben wir es nun mit einer Person zu tun, die am Grab ihrer Träume steht und dich ungefragt auf den Friedhof mitschleppt. Sie erinnert sich daran, dass sie einmal einen ähnlichen Traum hatte, und dass sie diesen im Laufe der Jahre für tot erklärt und dann irgendwo in den Tiefen ihres Unterbewussten verscharrt hat. Die Wahl des Verbs in der Vergangenheitsform (es „war“ ein grösster Traum, und nicht es „ist“ mein grösster Traum) legt zudem offen, dass wir es hier mit einem gezähmten Vogel zu tun haben, der sich damit abgefunden hat, für immer in einem Käfig zu sitzen. Auch wenn die Käfigtüren durch eine glückliche Fügung aufgehen sollten, so hat der Vogel bereits vergessen, dass er gesunde Flügel hat und dass er damit hier und jetzt direkt in die Lüfte davonfliegen könnte. Wie tragisch.

Dieser Vogel hat leider vergessen, wer er selbst ist. Nur manchmal, wenn andere Vögel auf seinem Käfig landen und ihm fröhliche Melodien von der grossen, weiten, wunderschönen Welt vorzwitschern, dann erinnert er sich daran, wie es war, als er seine Flügel noch ausbreiten und selber durch die Lüfte segeln konnte. Die Türen zum Käfig mögen sperrangelweit offenstehen, vielleicht helfen ihm sogar andere Vögel und öffen die Türe von aussen, doch der kleine Vogel bleibt traurig sitzen in seinem Gefängnis und weint seinen Träumen hinterher ohne zu bemerken, dass er jeden einzelnen Tag die Möglichkeit hätte, davonzufliegen und seine Träume umzusetzen! Aus Gewohnheit bleibt er im Käfig sitzen und spaziert innerlich zum Grab seiner Träume, dort legt er ein paar Blumen ab, weint ein paar Tränen des Selbstmitleids und verharrt dann in der Resignation, die schon zu seinem besten Freund geworden ist. Etwas theatralisch ausgedrückt, aber genauso ist es.

Jetzt einmal tief durchatmen.

Meine abschliessenden Worte nach diesem kleinen Exkurs:

Ich verstehe es, dass sich für viele die Frage stellt, warum man sich dazu entscheiden kann, ein Sabbatical zu machen, und ich finde es auch gut, dass Fragen gestellt werden, dass Diskussionen stattfinden und dass Interesse am Thema besteht! Ich bin trotzdem entsetzt darüber, wie unfrei wir alle sind, dass sich diese Frage überhaupt stellt. In Skandinavischen Ländern gehört ein Sabbaticals zum guten Ton, man könnte auch sagen, die Gründe, wieso die Nahme eines Sabbaticals eine grossartige Idee ist, kennt dort bereits jedes Kind. Reduzierter Stress und verbesserte mentale Gesundheit, mehr Zeit für die wichtigsten Menschen im Leben, Genuss privater Leidenschaften, Reisen durch die Welt oder Fokus auf anderweitige Herzensprojekte jenseits des Jobs …wir alle wissen doch genau, was uns glücklich macht und wofür wir uns mehr Zeit wünschen…wir sind alle kunterbunte Menschen und SO VIEL MEHR wie nur die Rollen, die in unseren Arbeitsverträgen stehen…wir sind SO VIEL MEHR und es wird Zeit, dass wir uns dieses Recht und diese Verantwortung gegenüber uns selber bewusst machen und ein Leben gestalten, das im Einklang mit unserer individuellen Natur ist.

Ja zu MIR

Ich persönlich habe mich entschieden, ein Sabbatical zu machen, weil ich JA zu MIR sage. Weil ich Erinnerungen sammeln möchte, die mich für immer nähren. Weil ich meinen Horizont erweitern will. Weil ich mein Bewusstsein reifen lassen will. Weil ich mich auf die Geschmäcker indischer Gerichte freue. Weil ich wieder Dinge zum Ersten Mal tun will. Weil ich mich selber überraschen will. Weil ich mich auf den Einfluss anders-denkender Menschen freue. Weil ich Lust auf ein Land mit Sonne und Palmen habe. Weil ich den Indischen Wind in meinen Haaren spüren will. Weil ich Abendteuer liebe. Weil mich diese Reise wachsen lassen wird. Weil ich es mir selber wert bin, ganz genau deshalb mache ich ein Sabbatical.

Reiserucksack

Reiserucksack

Lasst uns alle feierlich ein neues Familienmitglied begrüssen: meinen neuen orangenen Reiserucksack! 

Ich gebe zu, es muss schon viel passieren, dass ich einen Text über einen Rucksack verfasse… und verdammt nochmal, ES IST VIEL PASSIERT! Ich werde die nächsten Monate in einem wildfremden Land eine höchst emotionale Beziehung zu diesem Gegenstand entwickeln, der so viel mehr ist wie nur ein Gegenstand – er ist mein Reisebegleiter, mein Vertrauter, mein Beschützer all dessen, was mir lieb und teuer ist. Ich werde ihn berühren an jeder Stelle seines Wesens, ich werde jeden Winkel seines Körpers in- und auswendig kennen, seinen Geruch aufsaugen und annehmen, ich werde mit seinem Gewicht auf meinen Hüften eins werden bei heissen, langen Wanderungen und mein Schweiss wird in seine Poren fliessen und seine Farben in meine Haut.

Ich werde weinen, wenn er Verletzungen bei unseren Abenteuern davonträgt und mich liebevoll um seine Heilung kümmern und dafür sorgen, dass es ihm immer immer gut geht! Nach unserer Rückkehr in die Heimat werden wir uns schweigend anschauen, und wir werden uns verstehen ohne Worte. Was wir zusammen erleben werden, das werden wir für immer miteinander teilen. Diese Verbindung währt ein Leben lang. 

Also, in meinen Ohren klingt das sehr nach einem neuen Familienmitglied.

Folgendes ist die Sache: Seit 28 Stunden begutachte ich nun diesen Rucksack kritisch aus den Augenwinkeln, den mir ein gut gelaunter Amazon-Bote gestern in die Wohnung hochgetragen hat. Nachdem ich das riesige Pakte geöffnet habe, steht er nun angelehnt an meinem orangen Sofa an einer exponierten Stelle und ich betrachte ihn immer wieder etwas argwöhnisch beim Vorbeilgehen. Ich versuche herauszufinden, ob ich ihn mag oder nicht.

Soll ich ihn dulden und für diese aussergewöhnlich wichtige Mission in meinem Leben auserwählen? Hat er das Zeug dazu? Vielleicht sollte ich ihn wieder seinem Hersteller zurückschicken und mich für ein anderes Modell entscheiden, ein Modell mit weniger Schnüren und Schlaufen und weniger komplizierten Öffnungen und all diesen schwer zu verschliessenden Deckelschlaufen?

Vielleicht ärgere ich mich schon sehr bald über seine unpraktische Handhabung und dass er nicht gross genug ist oder im Gegenteil, dass er nicht klein genug ist und dass mir das vorher nicht aufgefallen war und dass ich all dies erst auf der anderen Seite des Erdballs herausfinde und ärgere mich dann weiter, dass ich mich von seiner hübschen orangenen Farbe und seinem betörendem Lächeln so habe blenden lassen und drehe ich dann total durch, weil ich erkenne, dass ich mich total in ihm getäuscht habe und er mir bei meiner Reise jede Menge Ärger bereiten wird! Das wäre die reinste Katastrophe!! Ich fasse es nicht, was für eine enorme Verantwortung auf der Wahl des richtigen Reiserucksacks liegt!

Ich atme gerade 3 Mal tief durch. 

Ich entscheide den Rucksack zu berühren und finde heraus, dass sein Material sich gut anfühlt. Sicherlich hat er gerade genauso grosse Angst vor mir wie ich vor ihm. Und dabei wollen wir beide doch einfach nur eine gute Zeit zusammen verbringen. Und wir mögen uns doch, denn ich liebe Orange und er liebt Abenteurer! Okey, das wird schon hinhauen mit uns zweien. Ich habe mich entschieden. Der Rucksack bleibt. Ich nehme ihn mit auf meine Reise. Hurra, das wird ein Bund fürs Leben!

Noch 40 Tage bis zum Abflug

Noch 40 Tage bis zum Abflug

Heute sind es noch genau 40 Tage bis zu meiner Abreise nach Indien am Montag, 26. Juni 2023. Ich habe mir ein one-way Ticket von Zürich nach Bangalore gekauft und starte am 26. Juni um 9:00 Uhr in eines der grössten Abenteuer meines Lebens.

Ich mache ein Sabbatical …

und werde 12 Monate unbezahlt freigestellt von allen meinen Pflichten bei meinem Arbeitgeber der Hilti AG, ich lasse meinen gut bezahlten Job als Human Resources Business Partnerin hinter mir, ich vermiete meine luxuriöse 100m2 Wohnung in der Schweiz an eine fremde Person und bin vor allem ab sofort eines: FREI.

Warum habe ich das getan?

Die Antwort darauf besteht aus tausend Einzelteilen, aus tausend Facetten, tausend Momenten, tausend Gedanken, tausend kleinen Entscheidungen, die zusammen ein Gesamtkunstwerk ergeben. Das Gesamtkunstwerk würde vielleicht den Titel tragen «Erwachen» und aus einem explodierenden orangenen Farbpulver bestehen, das mit voller Wucht auf eine riesige blaue Leinwand knallt.

Etwas deutlicher ausgedrückt: Es ist jetzt an der Zeit, meine Wildheit und Verrücktheit und Einzigartigkeit ernst zu nehmen, die in mir schlummert und am Erwachen ist, und ihr wie eine liebevoller Mutter Raum zur Entfaltung zu geben. Ich war schon immer anders wie die meisten Menschen, das habe ich schon immer irgendwie gespürt. Ich war die Aussenseiterin, die Unbeliebte, die Streberin, die Einsame, die Komische, die Weltreisende, die Stille, die Schöne, die Schüchterne, die Unsichere, die Besondere, die Unverstandene, die Bockige, die Übersehene, die Traurige, die Gesegnete, die Auserwählte…. doch ich habe trotz aller Widersprüchlichkeiten ein Leben gelebt, dass genauso phantasielos vorgezeichnet war, wie das Leben vieler anderer.  

Jetzt erkenne ich: dieses vorgezeichnete Leben passt gar nicht zu mir!

Es ist verdammt nochmal höchste Zeit, mich abzugrenzen vom Mainstream und alle Konformität zum Teufel zu jagen und zu fragen, was ist denn bitteschön MEIN Lebensentwurf, was sind denn bitteschön MEINE Wünsche und MEINE Träume und wer bin bitteschön eigentlich ICH? Ich brauche keine Orientierung mehr an den Lebenswegen anderer, ich brauche eine klarere Orientierung an mir Selber!

Ja ja, ich beruhige mich ja schon wieder….diese Lebensumbruchsphase ist ziemlich emotional … also diese Reise, so viel ist jedenfalls sicher, wird eine Reise zu mir selber und sie wird wild und schmerzhaft und verrückt und lebendig, sie wird laut und exotisch und intensiv und kunterbunt…und wo könnte man das besser machen als in Indien, dem Land uralter Weisheiten und jeder Menge Widersprüchlichkeiten. 

Bald geht´s los!

Deine Salome

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