Am Anfang ist der Name dieser indischen Stadt ein wirklich unaussprechlicher Zungenbrecher… ich blamiere mich bei jedem Versuch, es trotzdem zu tun… und dennoch… irgendwann meistert man den Rhythmus des Wortes und dann erklingt die Melodie wie eine Schaukel, die an einem Baum im Abendwind fröhlich hin- und herschwingt… Tiruvannnnnamalai… Tiruvannnnnnnamalai…. dein Name ist so zart und lieblich wie die Augen von Sri Ramana Maharshi, der Mann, der dich geprägt hat wie kein anderer. Der Mann auf dem nachfolgenden Bild ist er.
Schaut euch das Bild einmal genauer an und lasst es auf euch wirken.
Es gibt eigentlich nichts weiter dazu zu sagen. Ich finde, eine beispiellose Tiefe an Liebe und Mitgefühl spricht aus seinem heiteren Lächeln. Seine Haut wirkt so weich und zart. Er zeigt sich so, wie er ist, mit Falten, mit Altersflecken, mit nackter Haut. Sein Gesicht ist natürlich schön und er strahlt so dermaßen aus seinem Inneren heraus, dass es mich jedes Mal aufs Neue umhaut. Er schaut mir direkt in die Augen und seine Energie fließt in mich über und berührt mich im Kern.
Man sagt, er habe lieber geschwiegen als zu sprechen. Auch das finde ich ziemlich cool an ihm.
Diese Stadt also mit dem melodischen Namen ist in vielerlei Hinsicht besonders. Es gibt dort viele besondere Orte. Zwei dieser besonderen Orte habe ich auf meiner Reise entdeckt und besonders geliebt:
Das „Wild Child Café“ und das „Inner Child Restaurant“
Ein Ort wird dann zu einem besonderen Ort, wenn er einem ein besonderes Gefühl schenkt. Das Wild Child Café und das Inner Child Restaurant sind solche Orte. An diesen Orten geht es um mehr als nur Essen – das ist natürlich auch ein Teil, und das vegetarische Essen dort ist wirklich verdammt lecker, aber ich habe dort Qaulitäten wie Geborgenheit, Entspannung, Gemeinschaft, Grenzenlosigkeit, Fortschritt, Kreativität, Umbruch, Unkonventionalität und allem Freiheit erlebt.
Ein paar Schnappschüsse aus meiner Erinnerung, wenn ich an diese besonderen Orte zurückdenke:
Ich sehe beim Frühstück im liebevoll gestalteten Garten des Wild Child Cafes, wie eine erwachsene Frau einen Baum inspiziert. Sie berührt seinen Stamm und entscheidet dann, auf ihn hinaufzuklettern. Sie macht es sich zwischen den Ästen hoch oben gemütlich und lehnt sich dort in den Baum hinein, als ob er eine gemütliche Hängematte wäre. Ihre Beine baumeln unbeschwert links und rechts im Wind, sie schliesst entspannt ihre Augen und die Gäste ringsherum frühstücken fröhlich und kommentarlos weiter.
Ich beobachte, wie an der Tischgruppe auf der anderen Seite des Gartenweges im Wild Child Cafe die Gäste, die jeden Morgen zusammen dort in den Tag starten, mit bunten Wassermalfarben und schwarzer Tinte abstrakte Kunstwerke auf Zeichenpapier zaubern und ihre Kunstwerke gegenseitig bestaunen. Plötzlich taucht ein Mann die Schreibfeder in das Tintenfass und malt der Französin, die ihm gegenüber sitzt, sorgfältig einen Schnurrbart ins Gesicht. Der Schnurrbart steht der Frau mit den zarten Gesichtszügen außerordentlich gut und alle bestaunen die Verwandlung. Es ist wie eine Vermischung geschlechtsspezifischer Eigenschaften, die eine ganz neue, einzigartige, lebende menschliche Kunstform ergeben. Die Frau trägt den Schnurrbart noch beim Verlassen des Cafes und ich sage ihr, sie sollte den Bart öfter tragen, denn er stehe ihr sehr gut.
Ich betrete mit meiner Freundin Tatiana das erste Mal das Inner Child Restaurant und zu unserer Rechten begrüsst uns ein rötlich glänzendes Bücherregal aus Holz, das voll ist mit Büchern über Ramana, Osho, Yoga und vielen anderen Themen, die für spirituelle Indien-Fans interessant sind. Tatiana und ich lächeln uns zu, weil wir uns wortlos verstehen und spüren, dass wir im Laufe der Woche noch öfter an diesen Ort zurückkehren werden. Wir ahnen, dass wir uns hier in tiefgründige Gespräche vertiefen und neue Schätze in den noch unbekannten Büchern gemeinsam entdecken werden, während wir die köstlichen Veggieburger mit Pommes und BBQ-Sosse verspeisen. Hach, das Leben kann so schön sein.
Der Besitzer beider Lokale, Prem, sitzt an unserem Tisch im Garten und erklärt Tatiana, Aaron und mir, wie er auf den Namen seiner beiden Lokale gekommen ist. Prem ist ein indischer Mann Anfang dreißig, gebürtig aus Tiruvannamalai und durchbricht das gesellschaftliche Korsett aus Zwangsheirat, Familiengründungszwang und Druck, einen Job mit möglichst viel Status zu haben (Ärzte und Anwälte sind hoch im Kurs). Er berichtet, dass er Seminare zur Heilung seines Inneren Kindes besucht habe und mit dem Cafe einen Ort schaffen wollte, wo Raum für Wildheit, Genuss und Heilung ist. Er lebt in einem der Gästezimmer des Cafes und kocht das Frühstücks-Rührei selber, wenn sein Koch frei hat. Er macht keinen Hehl daraus, dass er schwierige Zeiten hatte und daher einen Ort erschaffen wollte für Menschen, die vielleicht auch gerade schwierige Zeit durchmachen, und Zuflucht und Ruhe finden wollen. Und leckeres Essen 😁
Dankeschön, Tiruvannamalai….
Tiruvannamalai, wenn du ein Mensch wärst, dann würde ich jetzt deine Hände sanft in meine nehmen und liebevoll drücken und wortlos in Gedanken “Danke” zu Dir sagen. Ich würde dir in die Augen schauen und lächeln, damit du spüren kannst, dass ich dich mag und dass du mein Herz berührst hast. Es war mir eine Freude. Bis zum nächsten Mal.
Auroville ist eine kleine Stadt an der Ostküste Indiens. Doch diese Stadt ist keine normale Stadt! Sie wurde gegründet am 28. Februar 1968. Diese Stadt wurde mit keiner geringeren Vision geboren, als die Zukunft einer neuen Menschheit zu sein, in der die Bewohner nach höherem Bewusstsein streben und menschliche Evolution an ihrem eigenen Beispiel sichtbar machen.
Wie spannend ist das denn bitteschön!
Ein Ort, an dem Menschen sich der Aufgabe verschreiben, die beste Version ihrer Selbst zu werden, sich zu bewussteren Menschen entwickeln und neue Formen des Zusammenlebens definieren wollen? Völlig losgelöst von allen Konventionen? Für mehr Frieden und kontinuierlichen Fortschritt? OMG, Ich liebe solche Experimente!!
Die grosse Frau hinter dieser großen Vision und Gründerin von Auroville ist “The Mother”. Dies sind ihre Kernpfeiler:
Die Charta von Auroville: Eine neue Vision von Macht und Verheißung für Menschen, die eine andere Lebensweise wählen
1. Auroville gehört niemandem im Besonderen. Auroville gehört der Menschheit als Ganzes. Aber um in Auroville zu leben, muss man ein williger Diener des göttlichen Bewusstseins sein.
2. Auroville wird der Ort einer endlosen Bildung sein, des ständigen Fortschritts und einer Jugend, die nie altert.
3. Auroville will die Brücke zwischen Vergangenheit und Zukunft sein. Unter Ausnutzung aller Entdeckungen von außen und von innen wird Auroville mutig in Richtung zukünftiger Erkenntnisse springen.
4. Auroville wird ein Ort materieller und spiritueller Forschung sein für die lebendige Manfestierung menschlicher Einheit.
The Mother hatte den Traum, dass es irgendwo auf der Erde einen Ort gibt, der niemandem gehört, an dem alle Menschen frei sein können, ein Ort des Friedens, der Eintracht, der Harmonie. Ein Ort, an dem Menschen die Ursachen ihres mangelnden Bewusstseins und der daraus resultierenden Schmerzen proaktiv reflektieren und überwinden und sich nur an einer einzigen Autorität orientieren: an der Höheren Wahrheit (Supreme Truth). Und: Sie hatte nicht nur einen Traum, sondern unter ihrer Führung ist dieser Ort auch wirklich entstanden und man kann ihn heute besuchen und seine friedliche Atmosphäre selbst erleben.
An diesem Ort, so schreibt The Mother 1954, können Kinder ganzheitlich wachsen und sich entwickeln ohne den Kontakt zu ihrer Seele zu verlieren; Bildung würde nicht zum Bestehen von Prüfungen oder zum Erhalt von Zertifikaten und Positionen gewährt, sondern um Wissen und bestehende Fachbereiche zu erweitern. An diesem Ort würden Titel und Positionen durch Möglichkeiten ersetzt […]; die körperlichen Bedürfnisse eines jeden würden versorgt werden und Geld nicht länger das dominierende Mittel sein. Der individuelle Wert eines Menschen hätte eine viel größere Bedeutung als materieller Reichtum und soziales Ansehen. Dort wäre Arbeit keine Möglichkeit, seinen Lebensunterhalt zu verdienen, sondern eine Möglichkeit, sich auszudrücken und seine individuellen Fähigkeiten und Möglichkeiten zu entwickeln.
Kurz gesagt, “es wäre ein Ort, an dem menschliche Beziehungen, die normalerweise fast ausschließlich auf Wettbewerb und Streit basieren, durch Beziehungen der Nachahmung, der guten Arbeit, der Zusammenarbeit und der echten Brüderlichkeit ersetzt werden.”
(Aus: „A Dream, Envisioning an Ideal Society“ von The Mother. Link zur Webseite)
Ist das nicht EINFACH GROSSARTIG? Jeder dieser Sätze berührt mich tief in meinem Herzen und fühlt sich richtig an. Heute, fast 70 Jahre später, fangen wir endlich endlich an, kollektiv die Wahrheit dieser Vision zu erkennen und einzustimmen und einzufordern, dass sich unser Schulsystem reformieren muss, dass wir statt Konkurrenz vielmehr Ko-Kreation in der Zusammenarbeit brauchen, dass wir zuerst an uns selber arbeiten müssen, damit durch den eigenen Frieden im Inneren auch Frieden im Außen entstehen kann.
Möge diese Vision niemals sterben, sondern durch unser aller Bestreben die Ausrichtung für die nächsten Jahrhunderte auf diesem Planeten sein.
Im August war ich eine Woche lang Gast im Ashram von Swami Bhoomananda in Thrissur im Südwesten Indiens und habe dort in der Bibliothek des Ashrams ein grossartiges Buch entdeckt, von dem ich euch gerne berichten möchte:
“Insights into Bhagavad Gita” von Swami Bhoomananda Tirtha (Hrsg. 2019).
Die Bhagavad Gita ist eine zentrale Schrift im Hinduismus, die 700 Verse umfasst und im 1. oder 2. Jahrhundert nach Christus verfasst wurde. Sie enthält den allseits bekannten Dialog zwischen Prinz Arjuna und Krishna in den Rollen als Schüler und Lehrer, die inmitten eines Schlachtfeldes bedeutsame Lebensweisheiten austauschen. Viele Menschen in Indien haben diese Verse intensiv studiert und viele Swamijis Bücher dazu geschrieben mit Kommentaren zu den jeweiligen Versen.
Swami Bhoomananda ist ein mittlerweile 90-jähriger Mann mit messerscharfem Verstand, der einen grossen runden goldenen Punkt auf der Stirn trägt, nicht mehr so gut hört und dessen Lieblingsfarbe Orange ist (alles im Ashram ist Orange: die Kleidung der Swamijis, die Farbe der Hauswände, die Vorhänge, die Stühle, die Mikrofone, selbst die Mülleimer sind Orange…). Er leitet den Ashram zusammen mit seinen zwei Weggefährten und ehemaligen Schülern Swamini Ma Guruprija (die einzige weibliche Swami, die ich in 5 Monaten Indien kennen gelernt habe und die eine beeindruckend reife (Führungs-)Persönlichkeit hat) und Swami Nirviseshananda Tirtha.
Als ich das erste Mal auf Swami Bhoomananda treffe, leuchten seine Augen, als ich ihn frage, wie es Ihm geht (meistens muss er sich anhören, wie es anderen geht). Ich sage ihm, dass ich den grossen Punkt auf seiner Stirn hübsch finde und dass orange auch meine Lieblingsfarbe ist. Swami Bhoomananda erzählt mir begeistert, dass orange die Farbe der Reinheit ist und will mir noch Weiteres erklären, doch dann werden wir von seinen Mitarbeitern unterbrochen, weil seine globale Live-Sendung für den Satsang gerade beginnt und seine YouTube Follower auf ihn warten.
Lasst uns über ein Tabu-Thema sprechen: TOD
Soviel vorab: Ich möchte keine grosse Kiste zu dem Thema Tod aufmachen und ganz sicher auch nicht irgendetwas anraten oder schlimmer noch belehren, welche Haltung und Perspektive man im Bezug auf den Tod haben sollte. Dies ist eine zutiefst subjektive Ansicht, bei der jede/r seine/ihre eigene Wahrheit finden muss. Ich kann das deshalb sagen, weil ich meinen Vater und meine Mutter als junge Frau verloren habe und daher aus Erfahrung weiss, wie sich Verlust anfühlt. Ich weiss, welche grauenhaften Schmerzen man durchlebt, wenn diejenige Person stirbt, die einem die Liebste auf der Welt ist. Ich habe in meinem Leben schon viel über den Tod nachgedacht. Doch so wie es der Buddhismus auch empfiehlt, sollte jeder seine ganz eigene Meinung bilden, die sich stimmig anfühlt und dann eigenverantwortlich mit den jeweiligen Konsequenzen dieser Haltung umgehen. In diesem Meinungsbildungsprozess ist es jedoch wertvoll, unterschiedliche Perspektiven kennen zu lernen.
Beim Durchblättern des Buches „Insights into Bhagavad Gita“ entdecke ich auf Seite 64 einen Kommentar von Swami Bhoomananda zum Thema Tod, den ich sehr schön finde. Er bietet ein alternatives Konzept zum weitverbreiteten „Der-Tod-ist-halt-das-Ende-und-dann-kommt-nichts-mehr“ Dogma an:
Er schreibt, dass der Tod keine Endstation ist, sondern ein Übergang. Eine Transition. Als Beispiel führt er an, dass unser Körper ebenfalls lebenslangen Übergängen ausgesetzt ist. Im Laufe unseres Lebens verändert sich unser Körper sichtbar, da wir erst als kleines Baby mit vielleicht 50 cm auf die Welt kommen und dann innerhalb von anderthalb Jahrzehnten zu einem durchschnittlich 170cm großen Menschen heranwachsen. Das bedeutet, dass sich unsere Körpergröße im Laufe unseres Lebens vervierfacht. Mit jedem Atemzug, den wir tun, verändern wir uns, mit jedem Atemzug werden wir einen Bruchteil älter. Wir sind niemals statische Wesen, weder in biologischer Hinsicht, noch in psychischer, noch in sonst irgendeiner Hinsicht. Der stetige Fluss an Energie ist ein natürlicher Zustand.
Der Tod ist keine Endstation, sondern ein Übergang
Bei einem Baum kann man es auch gut beobachten, denn sein Wachstumszyklus ist mit dem bloßen Auge erkennbar. Jeden Tag sieht der Baum ein bisschen anders aus, erst sind an seinen Zweigen Knospen, dann wenige Tage später Blüten, dann werden daraus kleine grüne Äpfel und irgendwann laufen wir am Baum vorbei und die Äpfel sind rot. Doch auch hier macht der Zyklus nicht halt, denn die Äpfel verschrumpeln, sie fallen ab, der Zweig verliert seine Blätter und erscheint mit Beginn des Winters kahl und tot. Doch unserem Auge verborgen sind die inneren Kräfte des Baumes, die er tief in seinem Stamm bewahrt und nutzt, um im Frühling wieder neue Formen an herrlichen Blüten hervorzubringen. Würden wir jemals sagen, dass der Baum stillsteht, oder tot ist, auch wenn er im Winter kahl aussieht?
Ein toter Baum als Metapher…
Und wenn der Baum sehr alt wird, seine Äste eines Tages brechen und er in sich zu Staub zusammenfällt und verrottet: Würde der Pilz sagen, der nun fröhlich auf der abgebrochenen Baumrinde wächst, dass der Baum tot ist und ihm keine Energie mehr spendet? Würden die Blumen sagen, die im Humus des zerfallenen Baumes erblühen, dass der Baum tot ist und ihnen keine Energie mehr spendet? Würde der kleine Kern, der als Samen des alten Baums im Boden schlummert sagen, dass der Baum tot ist und ihm keine Energie mehr spendet, obwohl er bereits Wurzeln geschlagen hat und schon ein kleiner grüner Keim aus ihm spriesst?
So steht im Vers der Bhagavad Gita auf Seite 73 eindrücklich: “As clothes that are put on the body are discarded and new ones worn instead, so the indwelling spirit leaves aging bodies, and takes up new ones.” Veränderung ist immerwährend und es gibt niemals ein Ende der Veränderung, auch der Tod ist kein Ende, sondern ein Übergang zu etwas Neuem. Wir Menschen sind Wesen, die sich fortwährend verändern und unsere Energie geht dabei nie verloren. Die Inder sagen dazu „Prana“, die kosmische Urenergie oder Lebensenergie, die jedem Lebewesen innewohnt und für alle Zeiten besteht. Die Grundlagenphysik bestätigt ebenfalls, dass Energie nie verloren gehen kann, sie verändert nur ihre Form. Die aufregende Schlussfolgerung aus dieser Erkenntnis:
“No one will ever die […] The wise people do not grieve over death. […] Think beyond what the eyes show.”
(Insights into Bhagavad Gita, Swami Bhoomananda Tirtha, Seite 64)
Ganz genau an diesem Punkt begraben liegt unsere Wachstums- und Erkenntnischance als Menschheit, genau hier haben wir meiner Meinung nach einen blinden Fleck, weil wir oft nur das glauben, was wir mit dem blossen Auge sehen oder mit den aktuell verfügbaren wissenschaftlichen Methoden nachweisen können. Ich frage mich, wann haben wir als Gesellschaft kollektiv die Entscheidung getroffen, mit der Abkehr von einer spirituellen Lebensform all dasjenige aus unserem Leben zu streichen, was dem Auge verborgen ist und uns immer nur auf unsere sensorische Wahrnehmungsfähigkeit zu verlassen? Wann genau haben wir die spirituellen Wurzeln unserer keltischen und germanischen Vorväter und Mütter verloren, die in ihrem Bewusstsein teilweise so viel breiter waren als wir heute? Wie wäre es, wenn wir zur Kenntnis nehmen, dass Energie nie verloren geht, auch nicht die Energie, die den Körpern unserer Liebsten innewohnt und nach dem biologischen Tod eine andere Form der Existenz findet?
Wie wäre es, diesen Gedanken zu denken und festzustellen, dass der Tod keine Endstation seinkann, sondern vielmehr der Übergang zu etwas Neuem ist?
Ich wünsche dir viel Freude beim neugierigen Betrachten dieser Perspektive.
Lieber Leser, Liebe Leserin, heute machen wir zusammen einen Ausflug in die Welt des Ayurveda! Lasst uns Bekanntschaft machen mit einer uralten Indischen Gesundheitslehre, neue englische Vokabeln lernen und die goldenen Regeln für ein gesundes, langes Leben hören! Das ist definitiv lebensveränderndes Wissen – los geht’s!
Ein paar Infos vorab: Das Wort Ayurveda ist Sanskrit und setzt sich zusammen aus den Wörtern „ayur“ (Leben) und „veda“ (Wissen). Wir haben es also mit nichts Geringerem zu tun als dem „Wissen vom Leben“! Die Wurzeln dieser Lehre gehen bis auf die vedische Hochkultur Altindiens zurück, wo Menschen in tiefer Meditation und durch jahrtausendelange Forschung im Bereich der Medizin ihre Erkenntnisse dokumentiert haben. Archäologen der Universität Missouri-Columbia haben nachgewiesen, dass die alten Inder schon 7000 v Chr. Zahnschmerzen behandeln konnten, weil man kleine Löcher in Zähnen aus dieser Zeit gefunden hat, die vermutlich mit pflanzlichen Heilpasten befüllt wurden. Indische Ärzte konnten damals schon die menschliche Anatomie und den Verdauungs- und Blutkreislauf präzise beschreiben. Es ist erstaunlich, finde ich, wie wir oftmals etwas ignorant auf die vermeintlich primitiven Lebensformen unserer Vorväter- und Mütter blicken (ich fühle mich selber durchaus angesprochen) – doch wenn man Ayurveda kennen lernt, stellt man fest, dass wir mit unserem heutigen medizinischen Wissen auf den Schultern von Giganten stehen…. den Giganten und Gigantinnen vergangener Jahrtausende.
Die Essenz von Ayurveda
Das Besondere an der ayurvedischen Gesundheitslehre ist ihr ganzheitlicher Blick und ihre beständige Rückbesinnung auf die zentrale Frage: “Was ist die Ursache der Krankheit und wie kann Heilung nachhaltig stattfinden?“ Oberflächliche Symptombehandlung findet man im Ayurveda nicht. Der Mensch wird als das vielschichtige Wesen wahgenommen, das er ist, als eine Einheit von Körper, Geist und Seele. Das finde ich großartig! Der ayurvedischen Auffassung nach ist der Dreh- und Angelpunkt die Verdauung, weil der Mensch aus den Stoffen besteht, die er aufnimmt – und entweder von ihnen aufgebaut wird … oder ausgelaugt wird. Aus diesem Grund habe ich ein 21-tägiges Retreat im Ayurvedic Treatment Center der Madukkakuzhy Famile in Kerala gemacht, die in 9. Generation Ayurveda Ärzte sind und in der hauseigenen Apotheke alle pflanzlichen Arzneimittel selber herstellen und täglich individuell für jeden Gast kochen. Dort habe ich während meines himmlischen Aufenthalts immer wieder folgende Worte gehört, die nun fest in meinem Englischwortschatz integriert sind:
Bowel Movement – Constipation – Bowel Cleansing
Der Ayurveda-Arzt Dr. Robin Maddukakuzhy fragt mich jeden Morgen in der Sprechstunde, ob ich ein “bowel movement” hatte und das heisst dann so viel wie, ob ich die gegessene Nahrung auch ordnungsgemäss am Morgen in der optimalen Konsistenz (weich) wieder auf der Toilette ausgeschieden hätte. Wenn man „Nein“ sagt, löst das prompt Sorgenfalten auf der Stirn von Dr. Robin aus und die Schlussfolgerung steht fest, dass ich an „Congestion” = Verstopfung leide. Wenn die Verdauung nicht optimal läuft, stauen sich Giftstoffe im Körper an und dafür gibt es nur eine Lösung: Bowel Cleansing = Darmreinigung. Die Gespräche im Ayurveda Retreat drehen sich allgemein ständig um das Thema Darm und Stuhlgang und Dr. Jobin Maddukakuzhy, Medical Director des Ayurveda Treatment Centers und Bruder von Dr. Robin, erklärt mir scherzend: “In Ayurveda medicine, no one asks you how was your food, only how was your shit.” Wir lachen uns beide schlapp darüber und dann erklärt er mir, wie das mit dem bowel cleansing bei mir ablaufen wird. Schluck.
Sprung in die Zukunft: 21 Tage später verlasse ich das Ayurveda Retreat und habe ein breites Lächeln im Gesicht, eine strahlend reine Haut (DANKE DANKE DANKE), eine schnurrende Verdauung, 1.3 Kilo Giftstoffe und Körperschlake weniger, einen klaren Geist, ein hohes Energielevel und jede Menge Wissen, wie ich diesen gesundheitlichen Höhepunkt meines Lebens langfristig aufrechterhalten kann. Ich sage es euch Leute, mit diesem Wissen werde ich locker 100 Jahre alt!
Auf Bitte der Maddukakuzhys und weil ich meine Zeit dort so bereichernd fand, habe ich ein Video Testimonial gemacht, das auf Instagram und YouTube zu finden ist:
Goldene Regeln für ein gesundes, langes Leben
Zum Abschluss möchte ich euch gerne ein paar goldene Regeln für ein gesundes, langes Leben mitgeben. Das sind universelle Grundsätze, mit denen man sich viel Gutes tun kann:
Morgens nach dem Aufstehen 1-2 Gläser warmes Wasser trinken, um das Verdauungsfeuer anzukurbeln. Gerne auch mit Zitrone oder Ingwerscheiben, das wirkt zusätzlich abführend
Zum Frühstück warme Kost essen, weil es für den am frühen Morgen noch sensiblen und kalten Magen viel leichter zu verdauen ist (zB. Porridge mit gedünstetem Obst). Achtung: frisches Obst und kalte Milch frühstücken ist gleich zweifach problematisch: das frische Obst enthält Säure, die für den morgendlichen Magen schwer zu verdauen ist. Daher Obst lieber gedünstet essen oder am Nachmittag, wenn das Verdauungsfeuer auf seinem Höhepunkt ist. Und Säure kombiniert mit Milch gerinnt im Magen und das ist ein verdauungstechnischer Alptraum und nicht zu empfehlen
Mittags sollte die Hauptmahlzeit des Tages sein, weil hier das Verdauungsfeuer am kräftigsten brennt
Abends bis spätestens 19:30 die letzte und leichteste Mahlzeit des Tages einnehmen, z.B. Gemüsesuppe, damit unser Körper über Nacht seine Energie für Heilungsprozesse nutzen kann und nicht schwer arbeiten muss
Die Zeiträume der Mahlzeiten sollten täglich in etwa dieselben sein, sodass sich der Magen darauf einstellen kann und das spart Energie
Nach dem Essen keine weiteren Zwischenmahlzeiten, das stresst den Magen, da er so ständig am Verdauen ist und unterschiedlich weit verdauten Nahrungsbrei parallel bearbeiten muss
Warmes Essen nicht mit kalten Getränken oder kalten Gerichten kombinieren (z.B. zum Mittagessen keine kalten Früchte, rohes Gemüse oder kalte Salate) – das friert das Verdauungsfeuer ein. Zimmerwarme Getränke oder Salate sind besser
Mit jeder Mahlzeit warmes Wasser in einzelnen Schlucken trinken, damit die Flüssigkeit die Magensäure nicht zu sehr verdünnt und den Verdauungsvorgang nicht behindert
Die Kombination Milch und Fisch, Fisch und Fleisch und unterschiedliche Fleischsorten gleichzeitig sind zum Verzehr nicht zu empfehlen, da auch sie in ihren Eigenschaften nicht kompatibel und schwer für den Magen zu verdauen sind
Hier beenden wir nun unseren kleinen Ausflug in die Welt des Ayurveda – ich empfehle jedem, irgendwann im Laufe seines/ihres Lebens ein Ayurveda Retreat zu machen und dem eigenen Körper dieses Geschenk ultimativer gesundheitlicher Selbstfürsorge zu machen. Wer mehr erfahren möchte über Ayurveda, die Maddukakuzhys und ihre Arbeit:
Am Mittwoch, dem 19. Juli 2023, meinem dritten Tag im Isha Yoga Center von Sadhguru, ist etwas geschehen, von dem ich euch gerne berichten möchte. An diesem Ort im Südwesten Indiens, in der Nähe der Stadt Coimbature inmitten des tropischen Regenwaldes, hat Sadhguru einen Ort erschaffen, zu dem jeden Tag tausende von Inder und ebenso viele Ausländer strömen. Sadhguru kennen sicherlich die meisten aus den Sozialen Medien; sein Gesicht und seine Gedankenanstöße sind omnipräsent und er ist aktuell der wohl populärste indische spirituelle Lehrer, der weltweite Anerkennung genießt. Mit der Gründung der Isha Foundation, einer spirituellen non-profit Organisation sowie mit dem Angebot des Persönlichkeitsseminars „The Inner Engineering“ hat er ein Millionenpublikum erreicht, innerhalb und auch ausserhalb von Indien. Man könnte sagen, Sadhguru ist der Popstar unter den lebenden indischen Gurus und sein Ashram gleicht ein kleines bisschen einem spirituellen Disneyland. Die Meinungen zu Sadhguru gehen auseinander, insbesondere von den Indern hört man immer wieder kritische Stimmen.
Der Dhyanalingha Tempel ist ein besonderer Ort
In der Mitte des Ashram Campus in Coimbature steht der Dhyanalingha Tempel, wo Meditationen gemäß der Lautsprecherdurchsage in Sekundenschnelle eine tranceartige Tiefe erhalten können. Betritt man die Tempelanlage, so fühlt es sich tatsächlich so an, als ob die Gravitationskraft einen mit aller Macht auf den Boden zieht, und die Schwere der Luft bewirkt, dass man automatisch in die Stille einkehrt. Gedanken, die gerade noch wie lästige Fliegen im Kopf herumgeschwirrt sind, senken sich blitzschnell zu Boden wie schwere Felsbrocken im Wasser und offenbaren den Blick auf den klaren tiefen Grund. Der Kopf wird frei und eine große Kraft verbindet einen mit der Erde, auf der man sitzt, eingehüllt und überdacht von einem Dom aus tausenden und abertausenden von rötlichen Ziegelsteinen. Der Steindom bildet ein architektonisches Meisterwerk, welches für die nächsten 5000 Jahren erbaut worden ist. In der Mitte des Doms steht der Dhyanalingha, eine pechschwarze runde Säule mit abgerundeter Spitze. Sie ist mindestens 2 Meter hoch. Sadhguru sagt über den Dhyanalingha:
“Dhyanalinga is a living being because it has come with all the seven chakras. It is just that there is no physical body. Dhyanalinga is like the energy body of the highest kind of being possible, like a yogi sitting there. Or to put it in traditional terms, we created Shiva himself. The idea is that people have a live guru forever.”
Im Verlauf meiner Woche im Ashram stelle ich fest, dass der Besuch des Dhyanalingha Tempels tatsächlich etwas süchtig machen kann. Sich im Dom aufzuhalten ist ein besonders anziehendes Gefühl. Das geht nicht nur mir so, sondern auch den Gästen, mit denen ich mich im Laufe meines einwöchigen Aufenthalts dort unterhalte.
Als ich den Dom am dritten Tag betrete und mich in einer gemütlichen Seitennische zum Meditieren niederlasse, ist mein Kopf vollgestopft mit herumwirbelnden Gedanken. Ich bin maximal genervt, verärgert und äußerst angespannt. Die letzten Stunden waren extrem nervenaufreibendend, da ich gerade mit aller Macht meinen Rausschmiss aus dem Ashram verhindert hatte.
Die Gretchenfrage war, ob ich meine Unterkunft verlängern kann oder nicht und diese vermeintlich simple Anfrage folgte einem hochgradig willkürlichen und unlogischen Prozess. Am letzten Tag meiner Buchung wurde ich informiert, dass mein Verlängerungsantrag nun doch abgelehnt wurde und ich spontan mein Zimmer räumen müsse. Der Ashram ist wohlgemerkt mitten im Dschungel und ganze 30 km von der nächsten Stadt entfernt. Da ich zudem wusste, dass es jede Menge leer stehender Betten in den Cottages gab, und es keine Folgebuchung für mein eigenen Zimmer gab, kam dieser Entscheid unerwartet und ich habe Einspruch eingelegt; die Folge war, dass ich mein Anliegen selber mit dem Cottage Manager durchverhandeln musste und das Gespräch war absurd und nervtötend bis zur letzten Sekunde der Einwilligung war, dass ich doch bleiben kann.
Ich habe im Gespräch argumentiert, dass das zweite Bett meiner Cottage-Nachbarin Meda frei wäre und ich daher nicht einsähe, wegen Schlafplatznot abreisen zu müssen… das Ende vom Lied war, dass ich nur unter der Bedingung bleiben konnte, das ich meinen Verlängerungsantrag zurückziehe und stattdessen mit Meda zusammenziehe. Auf Verständnisrückfragen, warum ich dann nicht gleich in meinem eigenen Zimmer bleiben kann, bekommt man grundsätzlich keine Antwort, das ist ein weiteres ungeschriebenes Gesetz. Die ganze Aktion war jedenfalls überaus absurd und hatte mit Logik rein gar nichts zu tun und so etwas kann ich nicht ausstehen!
Total gereizt betrete ich den Tempel…
In diesem Zustand komme ich also in den Dhyanalinga Tempel und suche mir ein Plätzchen, wo ich meine Ruhe habe. Meine Gedanken schießen wie Granatsplitter durch meinen Kopf. Ich setze mich in die Seitennische, die größer ist als gedacht und einen schönen weißen Marmorboden hat. Umgeben von der intensiven Energie im Raum setzt sich der Wirbel und Strudel an Gedanken in meinem Kopf schnell zu Boden und eine angenehme Schwere hält in meinem Kopf Einzug.
Plötzlich schießt mir eine Frage in den Kopf:
«Was ist eigentlich relevant?»
Ich bin erstaunt über die Frage und stelle fest, dass sie klug und interessant ist. Ich beschliesse, dass es eine durchaus relevante Frage ist, sich die Frage zu stellen, was relevant ist und entscheide, ihr meine Meditation zu widmen.
Ich frage mich, welche Gedanken, welche Umstände im Leben eigentlich relevant sind. Ist es relevant, dass ich mich weiterhin aufrege, ist es relevant, dass ich mich emotional in Themen hineinbegebe, die ich nicht ändern kann, ist es relevant, sich an der Oberfläche des Geistes zu befinden und jede Strömung der Wellen mitzuerleben und sich hinfort reißen zu lassen und sich darin zu verlieren? Diese Fragen sind wertvoll… was ist wirklich, wirklich relevant? Ist es meine berufliche Verwirklichung? Geht es darum, tiefere Erkenntnisse zu erlangen, was mich von meiner vollen Potenzialentfaltung abhält … oder im Gegenteil zu ihr beiträgt… oder ist es die Erkenntnis, dass bereits alles in mir steckt, was ich brauche…was genau soll ich denn überhaupt im Leben priorisieren und was davon ist wirklich relevant? Und muss überhaupt irgendetwas relevant sein und wenn ja, warum ist es relevant und was bedeutet Relevanz eigentlich als Wort? (Anmerkung: Relevanz (lat: re-levare) bedeutet [den Waagebalken, eine Sache] wieder bzw. erneut in die Höhe heben).
Da sitze ich also nun und sinniere in der Stille über diese Frage nach und bitte um eine Antwort und stelle sie mir mantrartig immer und immer wieder diese Frage…
„Was ist eigentlich relevant?“
… zehnmal… zwanzigmal… hundert Mal stelle ich mir innerlich diese Frage «Was ist eigentlich relevant?». Irgendwann, nach dem dritten oder vierten Glockenläuten (nach 15 min ertönt immer eine Glocke, sodass sich die im Dom befindlichen Menschen erheben und ihn verlassen können, wenn sie möchten, damit die nächsten Menschen hereinkommen können) schießt mir plötzlich der Gedanke durch den Kopf, dass mir das Universum, selbst wenn es wollte, bei all dem inneren Gequassel beim besten Willen keine Antwort geben kann. Ich würde eine Antwort ja überhaupt nicht hören! Ich verstehe mich selber nicht, wenn ich pausenlos wie ein Wasserfall innerlich vor mich hinbrabble! Wenn ich eine Antwort möchte, muss ich die Klappe halten und zuhören. Auch innerlich. Dieser Gedanke leuchtet mir ein und ich unterbreche mich schlagartig mitten im Satz. Das war eine sehr gute Idee, wie sich nun zeigen wird.
Ich komme gerade noch dazu, mich zu fragen: «Was ist..?», dann bringe ich mich selber zum Schweigen. Nun habe ich also die halbe Frage im Kopf und spüre sofort ein Klicken im Bauch, dass ich gerade etwas Tolles entdeckt habe! Die Frage “Was ist?” ist nämlich die wesentlich essenziellere Frage und ich hatte sozusagen das Konzentrat der Ursprungsfrage gefunden, denn die Essenz der Ursprungsfrage «Was ist relevant?» ist die Frage: «Was ist?» Ich hoffe, ihr könnt mir noch folgen. Die relevante Frage ist nicht, was relevant ist oder was wichtig ist oder was gut ist oder was erstrebenswert ist, oder welches Adjektiv wir auch immer verwenden wollen, sondern die Essenz davon ist schlicht und ergreifend die Kernfrage: «Was ist?” im Sinne von “Was ist (gerade)?» Die Adjektive sind austauschbar, aber das Verb ist der Kern! Ich mochte das Verb «sein» schon immer, da es den grundlegendsten Daseinzustand von allem beschreibt. Sein ist die grundlegendste Daseinsform allen Lebens. Es geht nicht darum, ständig etwas tun oder etwas leisten (!) oder etwas bestimmtes sein zu müssen, sondern vielmehr darum, einfach nur zu sein. Wir Mensch sind schließlich keine «human doings», sondern «human beings».
Die eigentliche Kernfrage ist „Was ist?“
Ich erkenne also, dass die viel zentraler Frage ist, was eigentlich (gerade) ist, und ich frage mich: «Gute Frage, was genau ist denn bitteschön gerade?» Was ist da, was kann ich wahrnehmen mit meinen menschlichen Sinnen in diesem Moment? Ich finde die Kondensierung der Frage aufs Wesentliche aufregend und setze das Erkannte gleich in die Praxis um. Was also ist gerade? Was kann ich gerade wahrnehmen? Ich checke mit meinem Körper ein, denn diesen kann ich sehr gut wahrnehmen und spüren, ich kann spüren, wie sich mein Rücken anfühlt, dass sich ein unangenehmes Ziehen in der linken Lendengegend breit macht vom aufrechten Sitzen, dass ich ein Ziehen in der rechten Brust spüre und dass ich den Mann neben mir husten höre und das Geräusch im ganzen Dom widerhallt. Das alles «ist» gerade, das alles kann ich wahrnehmen und mit meinen Sinnen erfassen. So sitze ich also mit einem geschärften Bewusstsein in der Seitennische des Doms und erstelle einen Bericht davon, was gerade ist, also ob ich eine Reporterin wäre und eine wissenschaftliche Bestandsaufnahme der aktuellen Situation mit allen meinen Sinnen mache.
Und dann, ganz plötzlich, kurz bevor die Glocke ein weiteres Mal läutet, geschieht etwas Unglaubliches und ich tauche nochmal ein weiteres Bewusstseinslevel tiefer.
Aus der Frage „Was ist relevant?“ wird die Antwort „Was ist.“
Aus meiner Frage «Was ist?» wird vor meinem geistigen Auge ein neues Gebilde und ich erkenne die Antwort auf meine Frage. Das Fragezeichen am Ende meiner Frage leuchtet auf einmal grell auf und vergrössert sich vor meinem inneren Auge und formt sich dann wie im Nebel zu einem Punkt um. Meine Frage, die mit einem Fragezeichen geendet hatte, transformiert sich zu einem Aussagesatz und endet nun auf einmal mit einem Punkt. Ich erkenne: Die Antwort auf die Frage «Was ist?» lautet «Was ist.» Aus der Frage wird die Gewissheit, dass das Relevante im Leben immer dasjenige ist, was (gerade) ist. Ich bin aufgeregt, weil die Antwort auf meine Frage schon seit der allerersten Sekunde in der Frage selber drin gesteckt hatte und ich sie bis jetzt nur nicht erkannt hatte. Ich fühle mich, als ob ich gerade einen Piratenschatz in einer geheimen Höhle entdeckt hätte, nachdem ich die Schatzkarte richtig gedeutet habe. Die Frage wird also zur Antwort und ich freue mich angesichts dieser genialen Erkenntnis.
Ich erkenne, der relevanteste Mensch ist immer derjenige, der dir im Moment gegenübersitzt, die relevanteste Empfindung immer diejenige, die du gerade spürst, der relevanteste Moment ist immer derjenige, den du gerade erlebst und die relevanteste Aufgabe ist immer diejenige, die dir gerade in dieser Sekunde begegnet. In der Präsenz mit dem, was ist, liegt der Schlüssel zum Glück. Je präsenter wir sind, desto bewusster sind wir, und je bewusster wir sind, desto glücklicher.
Relevant ist das, was ist.
Ich bin mit der Erkenntnis sehr zufrieden und erfreue mich an ihrer schlichten Intelligenz und auf welche vollkommene Art und Weise die Antwort schon vom ersten Moment an in der Frage eingebettet war. Das Geniale ist oft das Einfache und die Antwort in der Frage zu finden, finde ich ziemlich genial. Ich bedanke mich bei dem Dhyanalinga und verlasse meine Meditationsnische in Vorfreude auf all die neuen Erfahrungen, die ich nun mit der neuen Erkenntnis machen werde.
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